slow, Komparativ: slow·er, Superlativ: slow·est

Meine geneigten Leser wissen, dass ich eher der – im Zeit-Aufwand-Nutzen-Kontext gesehen – gemütlichen Fraktion löffelschwingender Kleinküchenhelden angehöre. Daher bin ich neuen Methoden und Möglichkeiten gegenüber stets aufgeschlossen, so lange es sich nicht um convinience food handelt und die Produkte unserer Natur liebevoll behandelt werden. Manchmal geht es auch in der heimischen Küche recht flink zu, vor allem, wenn man mal wieder zu viele Dinge zu gleich bewerkstelligen möchte. Warum fällt einem aber auch mitten im Bierbrauprozess ein, noch ein Brot zu backen oder einen Flammkuchen aus Treberteig zu gestalten :facepalm: Dieses Mal allerdings hatte ich kaum etwas zu tun und es empfahl sich auch nicht, während des gesamten Prozesses daneben zu stehen und genüsslich an einem Kochweinchen zu nippen.

Die Ausgangslage als Ausgangsauslage

Viel mehr braucht es kaum – gut der Vogel fehlt noch – um unser Vorweihnachtsexperiment zu starten. Damit wäre das Thema endlich generiert: Es gibt eine Weihnachtsente! Aber diesmal wirklich weich und zart! Die komplizierte Anmoderation sei mir verziehen.

Meine bessere Hälfte hat nämlich einen sous-vide-Stab angeschleppt und ich gebe zu: Ich habe noch NIE in meinem Leben von so etwas gehört. Ein erster Test gelang hervorragend mit einem recht großen Rinderhüftsteak, auf dem lustigerweise Rinder-Beef-Steak stand :D. Das Prinzip ist einfach: man vakuumiert ein Gargut in einem dafür geeigneten Beutel, legt es in ein Wasserbad und erhitzt dieses mit dem sous-vide-Stab auf eine kontinuierliche Temperatur. Dabei wird das immer gleichtemperierte Wasser von dem Stab in Umlauf gehalten und immer wieder gradgenau nachgeheizt, damit es auch auf dieser Temperatur bleibt. Ich glaube, mein Wunschbraugerät arbeitet ganz ähnlich (Spenden erbeten :D)

Gefüllt habe ich das gute Tier lediglich mit den beiden abgebildeten Äpfeln (geviertelt), dem Beifußstrauch und den beiden kleinen Zimtstangen. Im Vorfeld lag die Ente aber für 3h in einer kräftigen Salzlösung und wurde anschließend auch noch von innen und außen gepfeffert.

Die Topfwahl war etwas kompliziert, weil der sous-vide-Stab laut Anleitung nicht komplett mit Wasser bedeckt sein darf und irgendwie auch am Topf halten sollte. Somit habe ich mich für meinen 11-Liter-Brautopf entschieden, auch wenn das auf dem Foto nicht so schick aussieht. Damit der Beutel auch unten bleibt (durch die Füllung und die Luft IN dem Vogel bläht sich der Kochbeutel doch wieder etwas auf) habe ich ein Weck-Glas mit 70 Grad heißem Wasser befüllt daraufgelegt. Als Garzeit wählten wir 12 Stunden und die Temperatur lag stets ziemlich genau bei 69 Grad.

Während der zwölf Stunden kann man getrost nächtigen.

… am nächsten Morgen war etwas Wasser weg, so dass nicht mehr der gesamte Beutel mit Wasser bedeckt war. Die Ente hat daran aber keinen Schaden genommen. Weil ich morgens halb neun weder eine Ente zubreiten, geschweige denn essen wollte, kam sie nach einer Abkühlung inklusive Beutel in den Kühlschrank und harrte dort bis zum späten Nachmittag ihrer Dinge. Ausgepellt habe ich den zu Gelee gewordenen Saft aufgefangen und die Ente ihrer letzten Bestimmung zugeführt.

… noch recht blass

Insgesamt war der Saft nicht allzuviel und auch nicht so fett wie vermutet. Ganz erstaunlich. Das Aroma war trotz der geringen Zutatenliste überwältigend schön und abgerundet. Das aufgekochte Gelee bekam noch ein Glas gekauften Entenfond hinzu und köchelte bestimmt 30-40 Minuten leise vor sich hin. Die sauce habe ich am Ende einfach nur mit etwas Stärke abgebunden und ansonsten alles so gelassen.

Zwei dicke Esslöffel Honig aus der Heimat wurden mit etwas Sojasauce erhitzt und verrührt und auf dem noch blassen Leib des Geflügels verstrichen. Zuerst bei 220 Grad den Rücken für 25 Minuten gegrillt und dann die Brust bepinselt und diese noch einmal für 15 Minuten bei ebenso 220 Grad eingefärbt, ergab dieses optisch schon mal gelungene Ergebnis:

Die Beilage wollte ich eigentlich nicht erwähnen, weil sie nicht der Oberknaller war. Aber vielleicht kann sich jemand anderes an dieser Version erfreuen

Schnelldurchlauf: Ein paar festkochende Kartoffeln in dicke Scheiben schneiden (pro Nase 6 Scheiben) und in einer handgeschmiedeten Pfanne von beiden Seiten langsam anbraten (Gewürze nach gusto). Die äußeren Blätter eines Wirsings blanchieren und jeweils zwei Scheiben Kartoffeln darin einwickeln. In der gleichen Pfanne die Päckchen erneut braten, salzen, mit etwas Wasser auffüllen und abgedeckt ziehe lassen. Fertig … geht so. #malwasanderes

die schmiedeeiserne Pfanne ist natürlich KEIN Muss.
… und jetzt basteln …

Bleibt als Fazit den Braten zu loben und eventuelle Änderungen vorzuschlagen, wenn es demnächst an den tatsächlichen Weihnachtsvogel geht.

Das Fleisch war vollaromatisch und sehr zart. Die Keulen besser als die Brust – das kann aber auch Geschmack sein. Ich liebe die Keulen. Die Fettschicht war, wie beim Chinesen (Restaurant), noch unter der Haut und nicht ausgelaufen, wie es eigentlich nach herkömmlicher Methode der Fall ist. Die Haut … hmm, lapprig, mein Fehler. Das mit Honig und Soja schmeckt gut, aber es knuspert nicht. Zu Weihnachten werde ich die Haut also ganz altmodisch wieder mit einer Salzlösung bestreichen. Auch werde ich den Rücken nur 15-20 Minuten grillen und dafür die Brustseite 20-25 Minuten. Wer die Ente direkt aus dem sous-vide-Bad in die Röhre schiebt, sollte bei insgesamt 30 Minuten (Umluft) bleiben! Ich habe ja ein kaltes, aber fertiges Viech in den Ofen geschoben.

Das sieht mal lecker aus …

bon appétit!

Zutaten:

  • Ente
  • 2 Äpfel, sauer
  • Beifußsträußchen
  • 2 Zimtstangen, klein
  • Pfeffer, Salz
  • äußere Blätter eines Wirsings
  • Kartoffeln, festkochend
  • Zeit & Muse

The Taco-Bells are ringing

Liebe Freunde der langsamen und genussvollen Küche!

Nach einer längeren Pause bin ich wieder da und möchte Euch gleich ein neues Experimentier-Rezept von SlowerEat vorstellen. Wir haben einen Weihnachts-Taco kreiert! Schlagt uns nicht mit bösen Kommentaren, wenn es so etwas schon geben sollte – wir haben es nicht gegoogelt (neues deutsches Wort, welches im Duden nachschlagbar ist).

Auf die Idee sind wir gekommen … nein, anders herum: SlowerEats Herzdame möchte in der Küche keine getrennten Wege mehr gehen und wollte mich mit den Zutaten für Entenbrust an Rotwein-Granatapfelsoße und Selleriepüree überraschen, welches wir dann zusammen kochen wollten. Naja, langweilig … am Abend schauten wir dann noch eine Folge „The Final Table“ auf Netflix …

… wo in der ersten Folge Tacos von „normal“ bis „außerirdisch“ gekocht wurden. Ich muss zugeben, Tacos habe ich noch nie gemacht und auch erst einmal (letztes Jahr in Harlem) gegessen. Nach der Sendung wollten wir Tacos machen. Allerdings keinen mexikanischen Taco, scharf und mit Hack, sondern eine weihnachtlich-mitteleuropäische Interpretation davon.

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Der Teig

Der Teig stellte schon einmal eine Herausforderung dar. Das typische Taco-Mehl war auf die Schnelle hier nicht aufzutreiben und fertige Tortilla-Platten kamen nicht in Frage. Das Internet hatte einige, eher fragwürdige Antworten parat und so entschieden wir uns für eine Teigversion, welche vom Lesen her am ehesten logisch klang. Das ergatterte Maismehl wurde 1:1 mit Weizenmehl gemischt (nur Maismehl klappt nicht, weil das originale Masa Harina vorgegart ist) und mit 0,2 Mengen Wasser sowie etwas Naturjogurt (für die Geschmeidigkeit), Olivenöl und Salz zu einem glatten Teig verrührt. Für 2-3 Leute (4-6 Tacos) empfehlen wir 125 gr. Mehl jeder Sorte, 2-3 Esslöffel Olivenöl, 100-150 gr. Naturjogurt und ca. 200-250 ml lauwarmes Wasser. Ist die Konsistenz zu flüssig , eben mehr Mehl – ist sie zu fest, mehr Wasser (auf mehr Öl würden wir verzichten). Der fertige Teig kommt dann für mindestens eine Stunde in den Kühlschrank.

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Die Salsa

Mit der Salsa haben wir begonnen, weil sie vermutlich am längsten braucht. Zwei kleine Zwiebeln, zwei Knoblauchzehen und die Hälfte einer scharfen Chilischote wurden sehr fein gehackt und in reichlich Butter langsam angedünstet. Den Granatapfel habe ich meine bessere Hälfte auspuhlen lassen – sie ist da geschickter und die Wahrscheinlichkeit eine rotgesprenkelte Wand in der Küche zu haben, war bei mir einfach größer. Die, hoffentlich im Wesentlichen unverletzten, Granatapfelkerne hinzugeben, mit dem brauen Zucker bestreuen und mit etwas Rotwein ablöschen. Nach der Zugabe des Entenfonds im offenen Topf leise einkochen lassen und gelegentlich umrühren.

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Das ist natürlich keine richtige Salsa (Salsa ist meist kalt), aber wir interpretieren und experimentieren ja auch nur 😉

Kurz vor Ende des Einkochens die zweite Hälfte der Chilischote kleingehackt hinzugeben. Abschmecken und gegebenenfalls mit Salz nachhelfen. Meist ist das nach dem Einköcheln nicht mehr nötig, weil der Fond salzig genug ist. Sollten Rotwein und Granatapfel zu wenig Säure hinterlassen haben, jetzt mit etwas Limettensaft beträufeln.

Das Püree

Ein einfaches Selleriepüree habe ich schon sehr oft gemacht und es war mir dann doch etwas zu deutsch. Also wurde nach abgelehnten Veto der besseren Hälfte, die gute, deutsche Knolle gegen eine Süßkartoffel (die rot-orangenen) und die Sellerieknolle gegen deren Staude ausgetauscht.

Die Süßkartoffel gemeinsam mit einem in kleine, dünne Halbringe geschnittenen Staudenarm garen. Ich nehme dafür gern einen AMC-Topf mit 3 Esslöffeln Wasser, damit der Geschmack beim Abgießen nicht in der Spüle landet. Danach mit etwas Sahne und kleingeschnittenem Salbei zu einer Paste verarbeiten (NICHT mit dem Pürierstab!) und mit Pfeffer & Salz abschmecken. Voilà, so einfach kann Kochen sein.

Die Entenbrust

Kurz und knackig, ganz klassisch: Entenbrust auf Zimmertemperatur bringen, waschen & Kiele entfernen, Rauten ins Fett schneiden und salzen. Die Hautseite zuerst, ohne Zugabe von Öl, in einer Pfanne ausbraten. Ist sie braun und knusprig, das Fleisch wenden. Ca.(!) 20 min. bei ca. (!) 160 Grad im Ofen garen. Kerntemperatur: 68°C. So timen, dass noch 5 Minuten Ruhezeit (dabei pfeffern!) bis zum Schneiden bleiben. Es empfiehlt sich ein Längsschnitt und viele Kreuzschnitte, um mundgerechte Stückchen zu erhalten.

Finale

Zum Servieren könnt ihr spezielle Taco-Halter oder alternativ auch ein Baguetteblech wählen. Wir haben uns für die Schüsselvariante entschieden und jeder bastelt sich selbst seinen Taco.

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Stimmt, die Tacos fehlen. Auf dem Foto sehen die Teiglinge sehr groß aus. Das täuscht aber. Wir mussten eh mit einigen Größen und Teigmengen erst etwas experimentieren, bevor einer gelang. Am Ende lässt sich sagen, dass es sich anfühlt wie Pancake-Backen: Verwendet eine gute, leitfähige Antihaftpfanne ohne Zugabe von Fett (der Teig hat bereits Öl). Der Teig sollte Löcher bilden und von unten braun sein, bevor er gewendet wird. Optimal ist ein einmaliges Wenden. Im Gegensatz zu Pancakes empfehlen wir, den Teig knuspriger zu machen. Er sollte aber noch biegbar sein, ohne zu brechen.

Gebt auf die Tortilla-Platten einen Strich Süßkartoffel-Sellerie-Paste, drapieren ca. 4 Stückchen Entenbrust darauf und benutzt die Granatapfel-„Salsa“ als Topping.

… was wir dazu meinen:

Die Granatapfel-Salsa fanden wir sehr gut. Vielleicht etwas mehr Chili, aber das bleibt wirklich jedem sein Geschmack. Die Kartoffelpaste hat sich optisch schlecht von der Tortilla abgehoben. Entweder wir machen nächtes Mal den Teig mit Lila-Masa-Harina oder wir wagen stattdessen eine Creme auf Guacamole-Basis. Probieren geht über Studieren.

Der Teig … ja; also wir schieben es einmal beide auf „Geschmackssache“. In den USA hatten wir das eine Mal die dort typischen hard shells. In Mexiko gibt es wohl angeblich eher die soft shells. Der Maisgeschmack hat uns beiden nicht zugesagt (Polenta war aber auch noch nie meins) und die Tortillas waren ungemein sättigend. Übersättigend. Sooo kommt der Teig leider nicht noch einmal in die Pfanne. Trotzdem …

Bon apetite!

Zutatenliste

SlowerEat.com empfiehlt selten genaue Mengen. Wir richten und an fortgeschrittene Hobbyköche mit einigermaßen Grundwissen in Lebensmittelkunde und Kochtechniken. So wird z.B. jeder Koch selbst seine Erfahrung mit der Saugfähigkeit einer bestimmten Mehlsorte oder dem Verhalten seines Ofens gemacht haben. Ebenso, wieviel Salbei beispielsweise sie/er für die vorhandene Menge für angemessen hält …

  • Maismehl
  • Weizenmehl
  • Naturjogurt
  • Zwiebeln oder Schalotten (besser)
  • Knoblauch
  • scharfe Chilischote
  • Granatapfel
  • Rotwein
  • Entenfond
  • brauner Zucker
  • Limette
  • Süßkartoffel
  • Staudensellerie
  • Sahne
  • Salbei
  • Entenbrust